Offener Brief an Deutschlandfunk Kultur

15.01.2022

Sehr geehrte Damen und Herren
seit mehreren Jahrzehnten bin ich treuer Hörer von Deutschlandfunk Kultur (früher Deutschlandradio Kultur.) Ich schätze Ihren Sender als qualitativ hochwertiges und ansprechendes Informationsmedium. Neben eigenen Recherchen im Internet betrachte ich Ihren Sender als meine Hauptinformationsquelle. Eine Zeitung lese ich nicht und im Fernsehen informiere ich mich eher sporadisch. In der Regel fühle ich mich durch Ihre Beiträge gut informiert. Allerdings stelle ich immer wieder fest, dass die Auswahl der Beiträge mich oft nicht befriedigt.

Letztlich hat ein Podcast der "Korrespondenten: Reporter-Leben in Singapur" mit dem Titel Djokovic und Aung San Suu Kyi sowie die Tatsache, dass ich gestern wieder mehrfach über den Tennisspieler, der in Australien festsitzt, informiert wurde, dazu veranlasst, Ihnen diesen offenen Brief zu schreiben. Ich bitte Sie, sich diesen Podcast anzuhören, falls nicht klar wird, worauf ich mich beziehe.

Aber eigentlich wollte ich mich schon seit dem Tag an Sie wenden, seit der damalige Präsident der USA an Corona erkrankte. An diesem Tag war es in Ihren Nachrichten das zuerst genannte Thema, dann kam ein Thema, an das ich mich nicht mehr erinnere und als drittes wurde ein Beitrag zum Problem des Rechtsradikalismus in der Polizei in Deutschland gesendet.

Bei dieser Nachrichtensendung hatte ich zwei Probleme: Erstens die Reihenfolge der Beiträge und zweitens dass es zwischen 2017 und 2021 keinen einzigen Tag gab, in dem der Name des Präsidenten der USA nicht im Radio genannt wurde. Diese Beobachtung mache ich beim aktuellen Präsidenten der USA nicht. Selbst als der nunmehr abgelöste Präsident der USA von diversen sozialen Medienplattformen ausgeschlossen wurde, haben Sie in einem Beitrag auf die von ihm neu geschaffene Alternative hingewiesen (meine Zeit ist mir zu schade, um den betreffenden Beitrag zu recherchieren.) Mein Vorwurf an Sie - und natürlich sämtliche anderen Medien ausnahmslos - ist, dass Sie eine Mitverantwortung dafür haben, dass der glücklicherweise abgelöste Präsident der USA die Rolle spielen konnte, die er gespielt hat. Ich habe mir sehnlichst einen einzigen Tag gewünscht, an dem der Name nicht in irgendeinem Medium genannt wird - leider musste ich bis deutlich nach der Abwahl warten.

Hinsichtlich der Reihenfolge der oben genannten Nachrichtenbeiträge halte ich persönlich für unser Leben hier in Deutschland das Problem des rechtsradikalismus in der Polizei für deutlich relevanter als die Frage, ob eine Person auf einem anderen Kontinent an Corona erkrankt ist. Ähnlich schätze ich persönlich die Relevanz der Nachricht, ob ein Serbe in Australien Tennis spielen darf oder nicht gegenüber dem ersten Jahrestag eines Militärputsches in einer jungen Demokratie ein. Die Lektion, dass eine Demokratie brutal zerstört werden kann erscheint mir deutlich relevanter als die Tatsache, dass gewisse Stars Sonderrechte genießen, denn letzteres wird überproportional häufig in Nachrichten berichtet.

Ich wünsche mir von Ihnen eine gezieltere Fokussierung auf die Probleme, die für Ihre Hörer hier in Deutschland relevant sind. Ich persönlich wünsche mir z.B. eine tägliche Information zu Themen des Klimawandels, weil das in meinen Augen relevant ist. Das darf vom Abbaggern von Dörfern für den Abbau von Braunkohle, die Abholzung von Wäldern für Autobahnen, Probleme beim Ausbau des Schienennetzes und des öffentlichen Nahverkehrs, radfahrerfreundliche Städte, Problemen in der Landwirtschaft von Ackergiften bis Tierhaltung oder auch zur Diskussion von interessanten Grafiken reichen. Die Themen sind vielfältig und ich sehe kein Problem darin, täglich einen Beitrag dazu zu machen.

Mir ist bewusst, dass Sie einen Fokus auf das Thema "Kultur" haben, aber die oben genannten Beiträge, die ich in ihrer Relevanz für überbewertet halte, liegen nicht im Themenfeld Kultur sondern sind das, was in allen weit verbreiteten Medien berichtet wird. Ich wende mich an Sie, weil Sie wie eingangs geschrieben mein bevorzugtes Nachrichtenmedium sind und ich eine Rückmeldung geben möchte, welche Nachrichten mich besonders interessieren würden. Ich bevorzuge Deutschlandfunk Kultur, weil dieser Sender in meinen Augen eine positive Sonderstellung in der deutschen Medienlandschaft darstellt. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass Sie auch hinsichtlich der Nachrichtenauswahl eine Sonderstellung einnehmen können.

Mit freundlichen Grüßen
   Andreas Tille